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Objekt des Monats 

Die Städtischen Museen und das Archiv der Welterbestadt stellen jeden Monat Objekte aus den umfangreichen und vielseitigen Sammlungen der Welterbestadt vor. 2025 präsentieren wir exklusiv Objekte, die im zukünftigen Museum auf dem Stiftsberg gezeigt werden. Sie künden von der Geschichte und vom Leben im ehemaligen Damenstift und in unserer heutigen Welterbestadt.


Januar 2025: Erinnern an eine große Geschichte - mit Dr. Hermann Lorenz

Dr. Hermann Lorenz (* 15. Juni 1860; † 4. Januar 1945) stammte aus der preußischen Kleinstadt Weißensee in der Provinz Sachsen (heute Thüringen). Nach seiner Promotion in Leipzig leitete Lorenz ab 1895 die Realschule zu Quedlinburg. Er besaß die Lehrbefähigung für 7 Fächer und verfasste 12 Werke zur Pädagogik, Religion und Germanistik. Neben dieser Autorenschaft stammen noch weitere 15 Werke zur Geschichte, 6 Romane, 11 Dramen und ca. 100 Aufsätze zur Heimatkunde aus seiner fleißigen Feder. Dr. Lorenz war zudem ehrenamtlicher Archivleiter für Quedlinburg und hinterließ auch hier hoch ehrenhafte Spuren. Als ständiges Mitglied des Ausschusses für Kunst und Wissenschaft war ihm immer gegenwärtig, wie wichtig es für die Volksbildung ist, den Wissensgewinn mit „Jedermann“ zu teilen – ganz im Sinne auch unserer heutigen musealen Vermittlungsarbeit. Besonders beliebt und erfolgreich waren seine historischen Aufsätze im Heimatborn.

Unser Objekt des Monats gehört zu den herausragenden Werken für „Jedermann“. 1922 erschien zum Stadtjubiläum eine zweibändige Festschrift “Quedlinburgische Geschichte zur Tausendjahrfeier der Stadt Quedlinburg vom Magistrate der Bürgerschaft gewidmet”, von der Lorenz den ersten Band zum „Werdegang von Stift und Stadt Quedlinburg“ verfasste. Einen zweiten Band steuerte Dr. Selmar Kleemann zum Thema „Kulturgeschichtliche Bilder aus Quedlinburgs Vergangenheit“ bei.

Das Buch gehört zu den wichtigen Werken zur Geschichte der Stadt Quedlinburg. Lorenz schlägt darin wissenschaftlich fundiert den Bogen von der Gründung Quedlinburgs als Zentrum ottonischer Herrschaft bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. Er behandelt wichtige Ereignisse und Persönlichkeiten, wie die Gründung des Stifts Quedlinburg, die Rolle der Stadt im Mittelalter und die Auswirkungen der Reformation und des Dreißigjährigen Krieges. Sein Band der Festschrift umfasst 112 Seiten und enthält 11 Textabbildungen, 27 Abbildungen auf Tafeln und eine geschichtliche Flurkarte. Die Festschrift belegt den bürgerlichen Stolz auf die eigene Stadt und deren Geschichte.

Hermann Lorenz war bis zu seinem altersbedingten Ausscheiden im Jahr 1926 Direktor der Quedlinburger GutsMuths-Realoberschule. Im Jahr 1938 musste er aufgrund seines Alters auch die Leitung des Ratsarchivs niederlegen. Was bleibt sind seine gut recherchierten und gut geschriebenen Werke - ein inspirierender Quell für jeden, der sich mit der Geschichte der Welterbestadt beschäftigen möchte. Die Festschrift wird im neuen Museum auf dem Stiftsberg ausgestellt um den Umgang mit der Stadtgeschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu schildern und auch die Lebensleistung von Dr. Hermann Lorenz zu würdigen.

Dezember 2024: Wohlige Wärme im Winter

Die wohlige Wärme eines Kachelofens kennen heute die Wenigsten, da Vorgaben des Klimaschutzes moderne Heizungen erfordern.

Öfen mit einfachen oder gar kunstvoll verzierten Kacheln sind ab dem 14. Jahrhundert nachweisbar. Im Gegensatz zum Kaminfeuer erweist sich der Kachelofen in zweifacher Hinsicht als ideale Raumheizung. Er kann von einem gesonderten Raum aus beheizt werden und verhindert damit eine störende Rauchentwicklung in der Stube. Das Einfügen von geformten Keramikteilen in die Ofenwandung vergrößert zudem die Ofenoberfläche und erlaubt eine gleichmäßige Wärmeabgabe bei gleichzeitig geringem Holzverbrauch. Nach dem Verlöschen des Feuers bleibt der Ofen durch die Speicherwirkung der Keramik noch lange Zeit warm. Besonders im Barock waren plastisch modellierte Ofenkacheln wie die hier vorgestellte in Mode. Motivkacheln dieser Qualität und damit kunstvoll gearbeitete Kachelöfen gehörten zur gehobenen Raumausstattung und waren sehr teuer. Daher gab es solch prächtige Kachelöfen im barocken Quedlinburg nur in Häusern wohlhabender Bürger oder im Damenstift.

Die Ofenkacheln stellten Töpfer her, die zugleich in der Regel auch die Ofensetzer waren. Dies gilt in fast allen Regionen des Verbreitungsgebietes des Kachelofens bis in das 19. Jahrhundert – so auch in Quedlinburg. Einen Hinweis darauf gibt die Handwerksordnung für Töpfer, die den Gesellen erlaubte, 14 Tage im Jahr für sich Kachelöfen zu setzen.

Voraussetzung für eine lohnende Herstellung der aufwändigen Motivkacheln war die serienmäßige Produktion. Dies geschah mit Hilfe eines Models aus Holz oder Ton, also der Negativform der Kachel.

An der Produktion von Modeln waren neben den Töpfern auch andere Berufsgruppen beteiligt. Bedeutende Künstler lieferten mit Holzschnitten und Kupferstichen Vorlagen, die von geschickten Holzschnitzern und Modelschneidern zu einem Relief umgearbeitet wurden. Gute Model wurden gehandelt und getauscht. Daher kann häufig nicht bestimmt werden, aus welcher Werkstatt die Kachel stammt bzw. wie alt sie tatsächlich ist. In unserem Fall gehört die Kachel zu einem Konvolut von Ofenkacheln mit Darstellungen der vier Jahreszeiten und anderer Motive, die vom Quedlinburger Töpfermeister August Kober (1836-1914) hergestellt wurden. Das zu unserem Motiv gehörende Model allerdings ist signiert von Nicolaus Dentzler und datiert ins Jahr 1674. Die Werkstatt von August Kober nutzte also offenbar sehr erfolgreich im Historismus das 200 Jahre alte Model erneut, um die beliebte Formensprache des Barocks für Öfen betuchter Quedlinburger im 19. Jahrhundert wieder zu verwenden. Die Kachel zeigt ein nur teilweise winterliches Motiv: Ein Säulenportal, umrankt von Blumen, bekrönt von Löwen, die scheinbar Feuer speien. Im Portal steht eine junge Frau an einem dampfenden dreibeinigen Kochtopf. Sie trägt ein gerafftes Kleid mit Schößchen, üppigen Ärmeln und breit gezogenem Ausschnitt sowie lange Locken, die nur teilweise am Hinterkopf zu einem Dutt frisiert sind. In ihrer linken Hand hält sie vermutlich ein Muff zum Wärmen der Hände. Am unteren Bildrand liest man „Der Winter“.

Eine schöne Winterzeit bei wohliger Wärme – ob am Feuer oder der modernen Heizung – wünscht Ihnen das Team der Städtischen Museen und des Archives.


November 2024: Ein Gemeinschaftskunstwerk zu Schillers Geburtstag

Am 10. November feiert Friedrich Schiller seinen 265. Geburtstag. Im Gegensatz zu anderen klassischen deutschen Dichtern war er niemals nachweislich in Quedlinburg oder im Harz. Gelesen, gespielt und geliebt wurde er hier aber sehr wohl. 1859 feierte man seinen 100. Geburtstag in ganz Europa, ja selbst in den USA. An allen deutschen Hochschulen und Universitäten wurde des Tages gedacht. In über 440 deutschen und 50 nichtdeutschen Städten fanden Schillerfeiern mit Aufmärschen und Fackelzügen statt. Es war das größte Fest, das in Deutschland jemals zu Ehren eines Dichters gefeiert wurde. Ein Zeugnis dieser Verehrung des Dichters ist das Gedenkblatt „Zur Saecularfeier der Geburt Friedrich von Schiller‘s“ zum 100-jährigen Geburtstag des Dichters am 10. November 1859 aus den Städtischen Sammlungen der Welterbestadt Quedlinburg.

Die Grafik ist aufgebaut wie ein stilisiertes Epitaph mit architektonischen Elementen des Klassizismus sowie darin eingepasste Bildszenen. Die bekannte Porträtbüste Schillers von Johann Heinrich Danneker ist mittig abgebildet mit dem Bildhauer selbst danebenstehend. Darunter steht: "Ich will Schiller lebig machen, aber der kann nicht anders lebig werden als kolossal!“. Danneker zählt zu den bedeutendsten Vertretern des schwäbischen Klassizismus. Den Schriftsteller und den Bildhauer verband seit ihrer Jugend eine innige Freundschaft. Die Büste ist umgeben von den Titeln der wichtigsten Werke Schillers und von Szenen aus seinem Leben wie der Schulzeit in der Karlsschule, der Flucht vor Herzog Karl Eugen oder dem Freundschaftsbund mit Goethe und Körner. Im unteren Bereich ist das Weimarer Schiller-Goethe-Denkmal abgebildet.

Mehrere Künstler haben dieses Kunstwerk gemeinsam geschaffen, wie aus den gedruckten Angaben unterhalb des Bildes hervorgeht. In der linken unteren Ecke steht: „Erfunden und gez. v. Theobald von Oer. Architectur von H. Wiedemann“ und in der rechten unteren Ecke steht: „Radirt von H. Bürkner. Architectur von F.C. Schmidt“.

Gedruckt wurde die Grafik bei Heinrich Wilhelm Clemens Blochmann in Dresden. Dessen Hauptgeschäft war der Zeitungsdruck. 1859 übernahm er eine Kunst-Kupferdruckerei, in der die Grafik für Schillers Geburtstag angefertigt wurde.

Auch wenn Schiller nie in Quedlinburg war, steht sein Werk auf dem Fundament, das Friedrich Gottlieb Klopstock für die deutsche Dichtkunst legte. 1782 schrieb Schiller das Gedicht „Klopstock und Wieland – als ihre Silhouetten nebeneinander hingen“ – eine Hommage an beide Dichter.

Oktober 2024: Quedlinburg bekommt eine Garnison

Am 1. Oktober 1909 bekam Quedlinburg eine neue Garnison. Das 5. Hannoversche Infanterie Regiment Nr. 165 wurde von Goslar nach Quedlinburg verlegt und zog jubelnd empfangen von den Quedlinburger Bürgern ein. Das erste Bataillon und der Regimentsstab kamen um 11 Uhr vormittags in Quedlinburg an. Schon vor den Toren der Stadt empfingen sie die Schwadronen der in Quedlinburg stationierten Seydlitz Kürassiere mit ihren Regimentsmusikern zu Pferde, der Krieger- und Landwehrverein, der Militärverein und die Sanitätskolonne. Der Vorsitzende des Kreiskriegerverbandes Quedlinburg begrüßte das Regiment mit einer kurzen Ansprache, danach zogen alle begleitet von vier Musikkapellen über die geschmückte Bahnhofsbrücke in die Stadt. Schon auf dem Bahnhofsplatz hatte eine dicht gedrängte Menschenmenge Aufstellung genommen. Kopf an Kopf reihten sich Schaulustige an den reich mit Blumen, Tannengrün und Waldbäumchen geschmückten Straßen. Der Tross zog weiter durch die Bahnhofsstraße, die Heilige Geiststraße und die Steinbrücke zum Markt.

Das Foto zeigt die Einzugsfeier auf dem festlich geschmückten Marktplatz, wo der Magistrat der Stadt und dicht gedrängte Zuschauer die Truppe ehrenvoll und jubelnd begrüßen.

Auf der Seite der Breiten Straße sind die Seydlitz Kürassiere und ihre Regimentsmusiker zu Pferde zu sehen. Das 5. Hannoversche Infanterie Regiment steht gegenüber dem Rathaus in Kompaniefronten, dahinter gruppieren sich die Militärvereine. Rechts im Bild, auf der Rathaustreppe, stehen die Ratsmitglieder und Oberbürgermeister Ernst Bansi (ohne Kopfbedeckung).

Mehrere Jahre hatte der Rat der Stadt mit dem preußischen Kriegsministerium um die Stationierung eines Regiments in Quedlinburg verhandelt. Eine Garnison zu haben und Soldaten zu beherbergen war damals nicht nur eine Frage des Stolzes, sondern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Stadt. Das Kriegsministerium stimmte der Stationierung zu, forderte jedoch eine angemessene Kaserne. So begannen am 10. Oktober 1906 die Baumaßnahmen für die neue Infanterie-Kaserne in Quedlinburg auf dem Areal zwischen Halberstädter Straße, Schillerstraße und Gneisenaustraße.

Bekannte Mitglieder des Infanterie Regiments waren der Musiker Emil Radochla und der Hauptmann Ernst Ludwig Gruson. Am 2. August 1914 zog das Regiment in den Ersten Weltkrieg an die Westfront. Am 24. Dezember 1918 erreichten die Reste der Truppe Quedlinburg. Im April 1919 wurde das Regiment aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrages aufgelöst.

Einige der Kasernengebäude stehen heute noch und sind zum Teil Wohnungen und zum Teil Sitz der Stadtverwaltung (Technisches Rathaus, Museumsverwaltung, Archiv). Die anderen Gebäude wurden Anfang der 1990er Jahre abgerissen.

Das großformatige Foto in originalem Rahmen ist als Leihgabe beim Garnisonsverein Quedlinburg und kann in dessen Ausstellung am Schiffbleek besichtigt werden. Die Öffnungszeiten werden im Veranstaltungskalender auf der Website www.quedlinburg.de veröffentlicht.

August 2025: Machterhalt mit hohem Preis - schwieriger Amtsantritt vor 450 Jahren

Äbtissin Elisabeth II., Gräfin von Regenstein Blankenburg (*1542/1543, Ⴕ 20. Juli 1584) war die Nichte ihrer Vorgängerin Anna II. Schon als sie vier Jahre alt war, brannte ihr Zuhause, das Blankenburger Schloss, und sie verlor ihre Mutter. Fortan wurde sie von ihrer Tante, Äbtissin Anna II., im Quedlinburger Damenstift erzogen. So lernte sie schon früh das Leben im Stift, die Arbeit und die Sorgen der Stiftsregierung kennen. 1565 wurde sie vom Stiftskapitel zur Koadjutorin des Stifts Quedlinburg und damit zur Nachfolgerin von Anna II. gewählt.
Vor 450 Jahren, am 5. März 1574, wurde sie einen Tag nach dem Tod der Äbtissin Anna II., als neue Äbtissin eingeführt. Doch ihre legitime Wahl wurde vom Schutzherrn des Stiftes, Kurfürst August von Sachsen, nicht anerkannt. Als sie am 6. März 1574 von den Torwächtern die Schlüssel des Stiftes einforderte, um symbolisch wie praktisch die Herrschaft über den Stiftsbezirk zu übernehmen, wurden ihr diese kurz darauf vom Stiftshauptmann Hans von Wulffen wieder abgenommen. Anstelle des Stiftskapitels übernahm der Schutzvogt die Regierung. Für Elisabeth II. begann ein monatelanger Verhandlungskampf, in dem die männlichen Machthaber in die Befugnisse des Stiftes eingriffen und es unter ihren Einfluss brachten.
Unter anderem beanspruchte der Schutzvogt ein Recht auf Mitbestimmung bei der Wahl künftiger Koadjutorinnen und Äbtissinnen sowie bei der Aufnahme neuer Stiftsdamen, zwei Drittel der Steuereinnahmen des Stiftes sowie das Mitspracherecht bei der Vergabe von Lehen. Elisabeth musste einlenken, da ihre Wahl zur Äbtissin sonst nicht anerkannt worden wäre. Der Kaiser, den sie um Hilfe anrief, bot ihr keine Unterstützung, sondern überließ die Entscheidungen allein dem Schutzherrn. Im August 1574 stimmte sie dem Vertrag zu und konnte ihr Amt als Äbtissin antreten. Durch die erzwungenen Mitbestimmungsrechte des Schutzvogtes wurde die innere Autonomie des Stiftes beendet. Die kaiserliche Konfirmation des Vertrages zwischen dem Kurfürsten und dem Stift beendete zugleich rechtlich gesehen die Reichsunmittelbarkeit des Stiftes.

Elisabeths Regierungszeit war von weiteren Herausforderungen geprägt: Eine große Schuldenlast, die ihre Vorgängerin hinterließ, verringerte Steuereinnahmen durch die erweiterten Befugnisse des Schutzherrn und eine Pestwelle, die im Jahr 1577 etwa 1177 Opfer forderte. Vielleicht erklärt das ihren wehmütigen Gesichtsausdruck, beinahe wie eine besorgte Mutter. Im Gemälde wirkt ihr Antlitz fast bäuerlich und steht in starkem Kontrast zu ihrem fürstlichen Gewand. Das schwarze Kleid mit aufgestützten Schulterbändern ist reich bedeckt mit goldenen Schmuckbroschen in Renaissancemuster, in deren Fassungen Rubine und Perlen sitzen. Das Untergewand hat weiße, seidene Ärmel mit überlegtem, gemustertem Tüll und an den Handgelenken fein gefalteten Rüschen. Sie trägt schweren Goldschmuck, zwei Perlenketten, und vom Hals hängt an einem durchsichtigen Seidenband eine kugelförmige Filigranbüchse, wie sie seinerzeit zur Mitnahme von kostbaren Riechstoffen benutzt wurde. Den Kopf bedeckt eine weiße Haube aus Tüll, im Stoff, ähnlich dem der Ärmel, der nur wenig von dem blonden Haar sehen lässt. Im Hintergrund ist das Wappen ihrer Herkunftsfamilie, der Grafen von Regenstein-Blankenburg abgebildet.

Was bleibt von Elisabeth II.? Etwas sehr Schönes für die heutige Generation: Der Garten auf dem Stiftsberg, der in ihrer nur zehn Jahren Regierungszeit angelegt wurde. 1584 – vor 440 Jahren – starb Elisabeth II. im Alter von 42 Jahren.

Juli 2024: Ehrenvolle Anerkennung: Dichterdenkmal dank Bürgerengagement

2024 feiert die Welterbestadt Quedlinburg mit einer Festwoche den 300. Geburtstag von Friedrich Gottlieb Klopstock und bringt damit dem berühmten Dichter ihre Wertschätzung dar. Unser Objekt dieses Monats zeigt die große Wertschätzung des Dichters in seiner Geburtsstadt im 19. Jahrhundert. Zu seinem 100. Geburtstag 1824 wurde in seiner Taufkirche St. Servatii ein mit hochkarätigen Musikern der Zeit besetztes Musikfest organisiert, auf dem mit Genehmigung König Friedrich Wilhelms III. Spenden für die Errichtung eines Denkmals für den großen Dichter im Brühl gesammelt wurden. Zahlreiche hohe Gäste nahmen am Musikfest vom 1. bis zum 3. Juli 1824 teil, das auf dem Schloss, in der Stadt und auch am künftigen Standort des Denkmals im Brühl als Schauplatz einer Abendmusik stattfand. Die Einnahmen und Spenden allerdings reichten noch nicht aus, so dass der Quedlinburger Klopstock Verein weiterhin Geld sammelte und dann 1826 mit klaren Vorstellungen über den Standort, die Größe und die Gestalt die Verhandlungen mit dem damals bereits berühmten Architekten Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) zur Konzeption des Denkmals aufnehmen konnte. Für die gewünschte Bildnisbüste des Dichters wurde der Bildhauer Christian Friedrich Tieck (1776-1851) angefragt. Als Vorlage wurde die Büste Klopstocks vom Straßburger Bildhauer Landolin Ohmacht (1760-1834) von 1795 ausgewählt, die für die Walhalla bestimmt worden war. Es gab Schriftwechsel und Diskussionen mit Schinkel um den Standort und das Material, aber schließlich wurde am 7. Juli 1831, 28 Jahre nach Klopstocks Tod, das aufwändige Denkmal am Ende einer Sichtachse im Brühlpark feierlich eingeweiht. Der Klopstock-Verein hatte in Summe für die Errichtung dieses „nationalen Denkmals“ 3000 Taler gesammelt und aufgewandt.

Das Denkmal ist eine klassizistische Anlage mit einer dreiseitig umschlossenen und mit vier großen Bronzevasen gezierten Terrasse mit Bänken. Den hinteren Abschluss bildet eine von einem Giebel bekrönte Wand. Am Giebel ist die letzte Strophe aus Klopstocks Ode „Mein Wäldchen“ in Bronze angebracht, die Bezug auf die Liebe Klopstocks zur Natur nimmt. Vor dieser Rückwand steht auf einem marmornen Postament die bronzene Porträtbüste des Dichters.

Das Klopstock-Denkmal ist das älteste Denkmal im Brühlpark. Der Standort des Denkmals wurde 1831 mit Bedacht und mit Bezug auf das Wesen des großen Dichters gewählt, der die Natur im Brühl sehr schätzte. Noch bis in das 20. Jahrhundert hinein galt das Klopstock-Denkmal als eine wichtige Sehenswürdigkeit in Quedlinburg – zahlreiche historische Postkarten und Reiseberichte belegen dies. Heute ist das Denkmal stark sanierungsbedürftig. Zudem wurde die Klopstock Büste 2022 durch Vandalismus beschädigt und wartet seitdem im Depot der Städtischen Sammlungen auf ihre Restaurierung. Die Welterbestadt hat mehrere Förderanträge zur Sanierung des Denkmals gestellt, die leider nicht positiv beschieden worden sind.

Für die notwendige Restaurierung des Denkmals hofft die Welterbestadt nach nun fast 200 Jahren erneut auf eine große bürgerschaftliche Unterstützung. Bei allen Veranstaltungen zum Klopstockjubiläum werden Spenden für die Restaurierung des Denkmals gesammelt, ebenso können Spenden mit dem Verwendungszweck „Spende Klopstock Denkmal“ auf folgende Konten der Welterbestadt Quedlinburg eingezahlt werden:

Juni 2024: Dorothea Erxleben: Inspiration und Idol aus Quedlinburg

Dorothea Erxleben (13.11.1715-13.06.1762), eine bemerkenswerte Quedlinburgerin und die erste deutsche Ärztin, die 1754 ihren Doktorgrad erhielt, steht noch heute für den unermüdlichen Kampf um Bildung und Gleichberechtigung der Frau. Sie lebte in einer Zeit, die geprägt war von tiefgreifenden gesellschaftlichen Hindernissen, in der Frauen der Zugang zu einer akademischen Laufbahn nahezu versperrt war. Mit der Unterstützung ihres Vaters und einer eigens eingereichten Petition an den König von Preußen erkämpfte sich Erxleben als erste Frau das Recht, Medizin studieren und als Ärztin praktizieren zu können.

Am 12. Juni 1754, vor 270 Jahren, legte sie an der Universität Halle ihre Dissertation mit dem Titel „Quod nimis cito ac jucunde curare saepius fiat caussa minus tutae curationis“ ab. Um ihre Erkenntnisse auch Laien zugänglich zu machen, übersetzte sie sie 1755 selber auf Deutsch: „Academische Abhandlung von der gar zu geschwinden und angenehmen, aber deswegen öfters unsichern Heilung der Krankheiten“. Damit leistete sie noch zusätzlich einen Beitrag zur Bildung in breiteren Bevölkerungsschichten. Ihre Dissertation war eine Herausforderung für den damaligen medizinischen Betrieb, und zwar nicht nur durch die Tatsache, dass eine Frau sie verfasst hatte. Erxleben warnte darin vor den Gefahren überstürzter medizinischer Behandlungen und plädierte für eine gründlichere und bedachtere Herangehensweise in der Medizin, was sie als fachliche Expertin und Pionierin in der medizinischen Ethik auszeichnet.

Ihre Erfolge und die von ihr überwundenen Barrieren können heute, in einer Zeit, in der Fragen der Gleichberechtigung und des Zugangs zu Bildung weiterhin aktuell sind, als Inspirationsquelle dienen.

Für uns Quedlinburger bleibt Dorothea Erxleben nicht nur eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Welterbestadt, sondern ein historisches Idol und ein ständiger Ansporn, die Bildungschancen und Rechte aller Menschen zu fördern und zu verteidigen. Sie zeigt uns, wie wichtig es ist, für unsere Überzeugungen einzustehen und Hindernisse mit Mut und Entschlossenheit zu überwinden. Ihre Geschichte ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie tiefgreifend und nachhaltig die Beiträge einer einzelnen Person zur lokalen und globalen Geschichte sein können.

Interesse geweckt? Im Klopstockhaus gibt es einen Ausstellungsraum zu Dorothea Erxleben, der ihren Lebensweg und ihre Werke zeigt. Anlässlich des 270. Promotionsjubiläums veranstalten die Städtischen Museen eine Sonderführung am 13. Juni um 16 Uhr.

Mai 2024: 120 Jahre GutsMuths Denkmal

Am 20. Mai 1904, einen Tag vor dem 65. Todestag von Johann Christoph Friedrich GutsMuths, wurde ihm zu Ehren in seiner Heimatstadt Quedlinburg ein Denkmal errichtet. Es ist das einzige existierende Denkmal für den Begründer der neuzeitlichen Körperkultur und Erfinder des Schulsports. GutsMuth wurde am 9. August 1759 in der Pölle 39 geboren; seine Hauptwirkungsstätte war die Salzmann-Schule in Schnepfenthal (Thüringen). Dort übernahm er 1786 den Gymnastikunterricht und entwickelte Systematik, Leibesübungen und Turngeräte für das Schulfach, das heute „Sport“ genannt wird.

Die Initiative zur Errichtung des Denkmales geht auf die Deutschen Turnlehrer zurück, die 1898 einen Antrag stellten, GutsMuths ein Denkmal an seiner Wirkungsstätte zu errichten. Besonders der damalige Turnvereinsvorsitzende und Stadtrat H. C. Huch setzte sich für Quedlinburg ein, zumal Schnepfenthal ablehnte. Sein Nachfolger, Vereinsvorsitzender und Oberturnlehrer Otto Platz, war maßgeblich an der Auswahl des Standortes und des Künstlers beteiligt. Der Bildhauer Prof. Richard Anders, ein gebürtiger Quedlinburger, bekam den Zuschlag. Finanziert wurde das Denkmal von den Quedlinburger Bürgern, Turnlehrern und Turnvereinen. Ende 1900 startete ein öffentlicher Aufruf, Spenden für das Denkmal zu sammeln. Die Oberrealschule (heutiges GutsMuths Gymnasium) veranstaltete heimatgeschichtliche Laienspiele und spendete die Eintrittsgelder (1400 Mark); die fünf Quedlinburger Turnvereine sammelten 548,47 Mark; auswärtige Turner spendeten 4800 Mark und die Turnlehrer spendeten 800 Mark. Den ausstehenden Betrag von 6500 Mark einschließlich der Kosten für die feierliche Einweihung übernahm die Stadt Quedlinburg.

Das Objekt des Monats ist eine Postkarte mit einer Aufnahme des Denkmals, die kurz nach der Denkmalseinweihung entstand und das Denkmal in seiner ursprünglichen Form zeigt. Im zweiten Weltkrieg wurden die Einfassung und die vier Relieftafeln mit dem sie umgebenden Eichenlaub eingeschmolzen; 1989 wurden diese ersetzt. Am Fuß des Denkmales liegen Kränze, und auch die umgebenden Gebäude sind mit Girlanden geschmückt und erinnern an das Weihefest.

Die große Spendenbereitschaft und die Herausgabe von Postkarten mit dem Denkmalsmotiv zeigen die Bedeutung, die GutsMuths für die deutsche Turnerbewegung, für die Stadt und ihre Bürger hatte. Auch heute sind wir stolz auf GutsMuths, gedenken ihm mit einer Ausstellung im Klopstockhaus, einer Schule, die seinen Namen trägt und dem Verein TSG GutsMuths 1860 e. V., der den Geist des Turnens im Sinne des Gründervaters der deutschen Turnbewegung hoch hält und zahlreiche Möglichkeiten bietet, sich von früher Kindheit bis ins hohe Alter sportlich zu betätigen.